( Frau E. ist 49 Jahre alt, pflegt seit 22 Jahren und lebt in Baden Württemberg)
Meine Forderungen an Politik und Gesellschaft:
Von der Pflegeversicherung erhoffe und wünsche ich mir, dass die vorgesehenen Veränderungen auch Autisten und deren Familien zu Gute kommen. Bislang ist es so, dass nur wenige Minuten darüber entscheiden, ob man Pflegegeld erhält oder nicht.
Und ich wünsche mir für pflegende Angehörige in der Arbeitslosenhilfe eine bessere Einzelfallregelung. Wir pflegenden Angehörigen leisten viel für unsere Gesellschaft, und sollten daher unsere Lebensleistungen anerkannt und wertgeschätzt wissen.
Mein Name ist Agathe E.. Ich bin 48 Jahre alt und von Beruf „Familienpflegerin“, mein Traumberuf. Ich bin gerne kreativ und aktiv (http://www.agathe-engert.de.vu/). Jeden Tag versuche ich, etwas Außergewöhnliches zu entdecken, und ich lache gerne mit meinen drei Kindern – zwei Söhnen (22 und 23 Jahre alt) und einer Tochter (18 Jahre alt).
Mein zweiundzwanzigjähriger Sohn und meine achtzehnjährige Tochter haben das Asperger-Syndrom. Was sie nicht kennen, Veränderungen, wie sie für andere Menschen normal sind, macht ihnen Angst. Das bedeutet, dass unser Alltag sehr strukturiert und mit immer gleichem Ablauf organisiert werden muss. Veränderungen müssen extra und systematisch trainiert und durch Therapien unterstützt werden. Für die Finanzierung der Therapien wird das gesamte Pflegegeld aufgebraucht. Bei der Bemessung von Leistungen der Pflegekasse wird allerdings immer noch zu wenig der Aufwand von Betreuung und Förderung berücksichtigt und unterstützt, die enorm viel Zeit, Kraft und Geld kosten.
Ein bis zwei Mal im Jahr nehmen mein Sohn und meine Tochter an einer speziellen, professionell durchgeführten Freizeiten teil. Diese zusätzliche Förderung ist notwendig, damit meine Kinder Selbständigkeit üben und erlangen können, um später als Erwachsene zurechtzukommen. Daraus ergeben sich Kosten, die ich mit einem Eigenanteil von ca. 1000,00 Euro pro Jahr übernehmen muss. Als alleinerziehende Mutter mit Kindern mit erhöhtem Förderbedarf, kann ich nur stundenweise arbeiten und bin daher auf staatliche, finanzielle Unterstützung angewiesen. Mit „Hartz IV“ kann ich diese 1000,00 Euro aber nur mühsam aufbringen, meine behinderten Kinder also nur schwer ausreichend fördern.
Ein Auto kann ich mir so auch nicht leisten. Wenn ich mit einem meiner Kinder zur Klinik muss, muss ich mir eines leihen. Ein anderes Beispiel: Meine Tochter hatte bis vor kurzem wegen ihres Autismus’ enorme Probleme, wenn es darum ging, in größeren Geschäften etwas zum Anziehen zu kaufen. Ihr starkes Übergewicht tat das seinige dazu. Billigläden waren ihr zu groß und machten ihr Angst. Daher mussten wir in kleineren Geschäften einkaufen, was aber meist teurer ist. Das Geld durfte ich eigentlich gar nicht ausgeben.
Eine Erwerbstätigkeit zu übernehmen, die uns ernährt und uns unabhängig von staatlicher Unterstützung macht, ist nur möglich, wenn absolute zeitliche Flexibilität gegeben ist, was kaum zu finden ist. Denn nicht nur muss der strukturierte Alltag für meine Kinder gesichert sein. Ganz unvorhersehbar kann es immer wieder zu plötzlichen schweren Verhaltensschwierigkeiten, Ängsten und Depressionen bei meinen Kindern kommen. Dann muss ich für sie da sein. Das Geld für eine externe Betreuung über familienentlastende Dienste der Lebenshilfe reicht immer nur für wenige Stunden im Monat. So ist eine reguläre Erwerbstätigkeit derzeit nicht umzusetzen.
Ich bin ein sehr aktiver Mensch, was in meinen Kräften steht und sich mit meiner Pflegesituation vereinbaren lässt, leiste ich. Um etwas dazu zu verdienen, betreue ich neben der Pflege meiner Kinder über die Mittagszeit Grundschulkinder (Kernzeitbetreuung). Zusätzlich engagiere ich mich vier bis fünf Stunden in der Woche in der Nachbarschaftshilfe. Im Elternbeirat stehe ich Eltern beratend zur Seite und arbeite in unserer Kirchengemeinde seit vielen Jahren ehrenamtlich mit. Seit einem Jahr leite ich sogar unsere Selbsthilfegruppe. Mein Tag beginnt um 5 Uhr früh und endet oft erst nach 22 Uhr!
Was ich damit sagen möchte: Obwohl ich Hartz IV beziehen muss, um den Alltag meiner Familie zu sichern und daher nicht versicherungspflichtig arbeiten kann, leiste ich viel für unsere Gesellschaft – oft bis an meine körperlichen und psychischen Grenzen. Warum wird das nicht anerkannt, sondern von den Behörden zusätzlicher Druck auf uns ausgeübt, als würden wir den Staat ausnutzen wollen?
In all den Jahren habe ich wirklich viel durchgemacht. Ohne ein paar liebe Menschen um mich herum, wäre das fast nicht zu bewältigen. An dieser Stelle möchte ich ‚Danke‘ sagen: meiner tollen Familie (Eltern) und meinen besonderen Freundinnen, der Lebenshilfe, dem KBZO (Körperbehinderten Zentrum Oberschwaben), der Elisabethstiftung und unserem Elternverein, dem Verein Fib und auch dem Jugendamt. Das sind alles Menschen, die mir Mut machen, die mir wirklich zuhören oder die einfach da sind. Denn alleine ist eine solche Mammutaufgabe kaum zu schaffen.
( Bericht aus 2010 – Daten aktualisiert in 2015 )
Absolut nachvollziehbar. Allein schon die Sorge und Traurigkeit das die Kinder es immer schwerer haben werden als andere lasst eine Mutter sehr traurig durchs restliche Leben gehen. Leider ist die Gesellschaft ziemlcih emotionslos. So sehr dass eigentlich sie auch als Asperger Gesellschaft zu bezeichnen sind. Empathie mangelhaft, Kommunikation nur möglich im eigenen Rahmen, Schwierigkeiten mit Normabweichungen. Sehr Ich-Bezogen, mit Spezialinteressen die sich hauptsächlich um Provit, Sex und Medien drehen.
Alles Liebe für Sie und Ihre beiden Kinder.